Von Wind und Sand I

Roadtrip durch die Einsamkeit

Ein Roadtrip durch die karge Schönheit Argentiniens. Die milde Frühlingsluft kitzelt meine Nase, alles in mir schreit danach, die Stadt zu verlassen. An einem warmen Oktobernachmittag fahren Hernan und ich mit unserem roten Golf 1300 km in den Süden. Schon allein die Fahrt ist ein Abenteuer für sich. Kräfte zehrend, aber einmalig schön. 

Landstraßen im Morgenlicht

Die Reise, das Abenteuer beginnt, als wir Buenos Aires hinter uns lassen. Die saftigen Grüntöne der Provinz sind eine Wohltat für die Augen. Ewiges Weideland, Rinder- und Pferdeherden bis über den Horizont hinaus. Pompöse Alleen, die zu Estancias führen. Hier und da eine kleine Schule, am Straßenrand eine Haltestelle für den Schulbus. Die Schulen in der Provinz Buenos Aires heißen Schule 1, Schule 2 und so weiter. Unsere von Abgasen geplagten Stadtnasen saugen den Duft nach Natur und Wiese dankbar auf.

 

Immer wieder fahren wir durch kleine Städte und Dörfer, in denen die Uhren langsamer zu ticken scheinen. Wir überqueren den längsten Fluss der Provinz Buenos Aires, den Río Salado. Es ist schon dunkel als wir in Azul, 300 Kilometer von Buenos Aires entfernt, zu Abend essen. Noch weitere 300 Kilometer, immer mit 90 Kilometern pro Stunde, dann tanken wir, stärken uns mit heißem Kaffee und Mate Tee und machen einen Fahrerwechsel.

Nun fahre ich gemächlich durch die dunkle argentinische Nacht. Es wird immer ruhiger auf den Straßen. Irgendwann höre ich nur noch den Wind. Hernan döst vor sich hin. Ich denke mir Geschichten zu den vorbeiziehenden Schatten aus.

Landstraße im Morgenlicht mit Schatten eines Autos

Gefühlt haben wir die Zivilisation hinter uns gelassen, als uns die Hochhäuser von Bahía Blanca im Süden der Provinz Buenos Aires aus dem Rückspiegel zuwinken und immer kleiner werden. Patagonien begrüßt uns mit einem herrlichen Sonnenaufgang. Die eintönige Steppe ist in warme Farben getaucht.

 

660 Kilometer haben wir hinter uns, der Verkehr ist spärlich geworden. Guanakos begleiten unser Auto bis sie sich im Flimmern des Nichts auflösen. Dürre, niedrige Sträucher so weit das Auge reicht. Vertrocknet. Die Straße, die Ruta 3, führt uns die nächsten vier Stunden nur geradeaus. Ich führe einen stillen Kampf gegen meine Augen, die einfach zufallen wollen. Unser Autoradio funktioniert nicht. Um wach zu bleiben, öffne ich das Fenster und trällere Kinderlieder in die kühle Morgenluft.

 

Es geht leicht bergauf und ich habe die Hoffnung, dass sich irgendetwas ändert wenn wir oben ankommen: Dass da ein Baum ist oder saftiges Grün, eine Kurve, ein Haus, irgendetwas, das die Monotonie der Landschaft unterbricht. Wir kommen oben an und – die Straße führt weiter wie mit dem Lineal gezogen bis zum Horizont und darüber hinaus. 

Wir halten mitten auf der Straße an und vertreten uns ein bisschen die Beine. Wir sind fast allein auf der Welt. Im Gestrüpp raschelt es. Die Erde ist trocken. Weiter geht´s, immer geradeaus. Mehr und mehr überkommt mich die Lust, einfach den Motor abzustellen und eine kleine Siesta zu halten.

 

Dann wird der Verkehr wieder etwas dichter, wir nähern uns der Stadt Sierra Grande in der Provinz Río Negro. Endlich verändert sich Landschaft. Wie aus dem Nichts sind wir umgeben von Hügeln und kleinen Bergen, durch die sich die Straße schlängelt.

Die Stadt ist bekannt wegen ihrer Eisenerzvorkommen. Die Bergwerke waren mit einem unterirdischen Wegenetz von 96 Kilometern einst die größten Südamerikas. Anfang der 90-er Jahre wurden sie per Dekret geschlossen. Die folgenden 15 Jahre dienten sie dem Tourismus als „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ bis sie 2006 wieder in Betrieb genommen wurden.

Wir lassen die Minen nach einem Morgenkaffee links liegen, denn nur noch 200 Kilometer trennen uns von unserem Ziel: der Halbinsel Valdés in der Provinz Chubut. 

Karge Landschaft mit Bergen am Horizont

Das Naturreservat wurde 1999 von der UNESCO in die Liste der Welterbe aufgenommen und zieht vor allem wegen seiner vielfältigen Fauna Reisende aus der ganzen Welt an. Die Halbinsel ist mit dem Festland durch die Landbrücke Carlos Ameghino verbunden. Hier befindet sich ein Besucherzentrum, in dem man Karten und interessante Infos zu Ausflugszielen und zur Flora und Fauna der Halbinsel bekommt.

Wir steigen aus dem Auto aus und werden fast wieder in die Sitze zurückgeworfen. Der Wind pfeift uns um die Ohren, sodass man kaum sein eigenes Wort versteht. „Hallo Patagonien“, rufe ich ausgelassen in den weiten Raum und möchte gerne den Wind umarmen. 

 

Die Reise ist damit natürlich noch nicht zu Ende! Hier findest Du Inspiration und Tipps für entspannt-abenteuerliche Tage auf der Halbinsel Valdés.

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