Im letzten Teil der Artikelserie "Studieren in Buenos Aires" nimmt uns Stefanie mit auf eine Reise durch ihr Auslandssemester. Zum vorherigen Artikel kommst du hier.
An welcher Uni hast du studiert und was?
Ich habe an der Universidad de Buenos Aires (UBA) studiert, genauer gesagt an der philosophisch-literaturwissenschaftlichen Fakultät (Facultad de Filosofia y Letras, kurz FILO) in der Straße Puán. Neben einem Spanischkurs habe ich zwei Veranstaltungen aus der Literaturwissenschaft besucht: Problemas de la literatura argentina – eine Vorlesung samt Tutorium rund um die argentinische (Populär-)Kultur des frühen 20. Jahrhunderts – sowie ein Seminar zu Kinder- und Jugendliteratur.
Hast du das Auslandssemester selbst organisiert?
Ja. Es gab zwar eine Kooperation zwischen meinem Studiengang in Deutschland und der UBA, aber davon habe ich nicht viel gespürt. Um die Wohnungssuche in Buenos Aires, das Organisatorische, die
Wahl meiner Kurse habe ich mich selbst gekümmert.
Wie sah dein Uni Alltag aus?
Ich fuhr viermal die Woche mit dem Bus (dem colectivo) in den Stadtteil Caballito, wo sich die FILO befindet. Von San Telmo aus, wo ich wohnte, war das ein ganzes Stück; eine einfache Fahrt dauerte rund 40 Minuten .
Die Veranstaltungenan der UBA fanden in der Regel eher nachmittags bzw. am frühen Abend statt. Seminare dauern etwa drei Stunden, Vorlesungen sogar vier. Ganz schön anstrengend, wie ich finde! Vor allem, wenn man sich in den ersten Wochen noch nicht an das argentinische Spanisch gewöhnt hat und sich besonders anstrengen muss um zu verstehen, worüber der Prof gerade philosophiert. ;)
Teile deine Eindrücke mit uns!
Insgesamt habe ich ein faszinierendes und erlebnisreiches Auslandssemester in Buenos Aires verbracht. Es war nicht immer alles einfach, aber letztlich war es eine sehr besondere Zeit in meinem Leben, an die ich oft und gerne zurückdenke.
Die Veranstaltungen, die ich an der UBA besuchte, fand ich sehr spannend und ich habe viel daraus mitgenommen. Schön fand ich, dass ich dabei so viel über die argentinische Geschichte, aber auch den Alltag der porteños (der Bewohner von Buenos Aires) im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert erfahren habe.
Von den Texten, die wir gelesen haben, sind mir unter anderem Enrique Gonzalez Tuñons Geschichten aus dem Erzählband Tangos in Erinnerung geblieben, in denen er typische Sujets der Tango-Lieder aufgreift und vom Leben, Lieben und Leiden in der Vorstadt erzählt. Ein wenig sentimental, aber auch sehr poetisch und berührend – so, wie eben auch ein guter Tango sein muss!
An der Fakultät selbst hielt ich mich nur auf, um meine Vorlesung und Seminare zu besuchen. Es gab zwar eine Bibliothek, die aber im Kellergeschoss lag und alles andere als einladend war. Ich las und lernte also lieber zuhause.
Allgemein ist das Fakultätsgebäude in Puán nicht unbedingt ein Wohlfühlort: die Räume und Gänge wirken heruntergekommen, in manchen Ecken stapeln sich Stühle und Gerümpel, alle freien Flächen an den Wänden und Türen sind mit mehreren Schichten Plakaten beklebt, Tauben flattern teilweise durch die Gänge und Hörsäle. Im Winter friert man erbärmlich, da das ganze Gebäude zugig ist und natürlich keine funktionierende Heizung besitzt.
Annehmlichkeiten wie gemütliche Aufenthaltsbereiche, eine Mensa oder gepflegte, moderne Toiletten sucht man hier vergebens.
(In seinem Roman Die Fakultät beschreibt der argentinische Autor Pablo de Santis ein – fiktives – Unigebäude, das mich stark an die FILO erinnert.)
Obwohl das jetzt sehr negativ klingt, besitzt die Fakultät in Puán aber durchaus Charme! Das ist eben typisch Buenos Aires: Einerseits ist das Gebäude recht marode, die Ausstattung der Seminarräume ebenso und die organisatorischen Abläufe wirken auf ausländische Studenten erst einmal sehr verwirrend. Andererseits funktioniert der Uni-Alltag aber doch immer irgendwie. Notfalls wird improvisiert! Wie zum Beispiel an dem Tag, als das Uni-Gebäude wegen eines Streiks nicht betreten werden konnte und wir unseren Spanischkurs in einem Stuhlkreis auf der Straße abhielten!
Politisches Engagement ist den argentinischen Studenten ohnehineine Herzensangelegenheit, weswegen kein Uni-Tag verging, an dem nicht eine Abordnung irgendeiner politischen Gruppierung in die Vorlesung platzte, um auf wichtige Versammlungen, Demos oder Aktionen zu verweisen.Auch diesen Aspekt des Unilebens an der UBA fand ich sehr spannend.
Was hast du aus dem Auslandssemester mitgenommen?
Sehr viel! Unter anderem hat mich das Auslandssemester kulturell inspiriert und ich habe seither einen viel stärkeren Bezug zu argentinischer Literatur, Geschichte, Politik und Musik. Aber auch für mich persönlich habe ich ausder Zeit in Buenos Aires eine Menge mitgenommen.
Deine Tipps für das perfekte Auslandssemester in Argentinien?
- Am besten in einer WG mit Einheimischen wohnen, um in das Leben der porteños richtig einzutauchen.
- Ein Lieblingscafé oder eine Lieblingsbar (oder beides) ausmachen, um dort gesellige Stunden zu verbringen oder einfach mal Leben und Leute zu beobachten.
- Ausflüge machen, wann immer es der Unialltag zulässt: sei es übers Wochenende ins benachbarte Uruguay, in die Dörfer in der Provinz Buenos Aires oder auch einfach mal in andere Stadtteile, um dort das Alltagsleben auf sich wirken zu lassen.
Liebe Stefanie, danke, dass Du Deine Eindrücke mit uns teilst! Einen schönen Artikel über den von Stefanie erwähnten Roman "Die Fakultät" findet ihr hier.
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