Der Weg ist pures Abenteuer, das Ziel wie ein wunderschöner Traum. Im letzten Teil der Artikelreihe „Mendozas wilder Süden“ begeben wir uns auf die Spuren des argentinischen Freiheitskämpfers San Martín, überqueren aber nicht wie er die Anden, sondern bleiben an einem idyllischen Ort, dessen Namen nicht treffender hätte sein können: Valle Hermoso, das wunderschöne Tal.
Von Malargüe kommend, fahren wir zunächst ein paar Kilometer auf der Ruta Nacional 40 in Richtung San Rafael. Noch vor dem kleinen Ort El Sosneado biegen wir links ab auf die Ruta Provincial 222, eine der „Rutas Sanmartinianas“, auf der sich 1817 ein Teil des sogenannten „Andenheeres“ auf den Weg machte, Chile von der spanischen Krone zu befreien.
Was einst mit großen Anstrengungen verbunden war, fahren wir heute auf einer frisch asphaltierten Straße in bestem Zustand.
Auf dem Weg zum Valle Hermoso halten wir an zwei schönen Orten, um uns die Beine zu vertreten: der Laguna de la Niña Encantada und dem Pozo de las Ánimas.
Laguna de la Niña Encantada: Romeo & Julia in Mendoza
Für den Besuch der Lagune wird ein Eintrittsgeld von umgerechnet ca. 1,20 Euro pro Person verlangt (Januar 2020).
Je nach Sonneneinfall schimmert die kleine Lagune, die von unterirdischen Flüssen gespeist wird, tiefblau, türkisfarben oder grün. Umgeben von üppiger Vegetation und vulkanischem Gestein ist es der ideale Ort für mystische Legenden und Märchen.
Wenn Du Dir selbst keine Geschichte ausdenken willst, macht das aber nichts, denn die Argentinier haben schon vorgesorgt: Es war einmal eine wunderschöne Prinzessin namens Elcha.....
Du kannst es Dir schon denken?
Alles klar, die Kurzfassung lautet folgendermaßen: Zwei zunächst feindlich gesinnte Stämme treffen aufeinander. Wie es der Zufall soll will, hat einer der Häuptlinge eine wunderschöne Tochter (Elcha) und der andere einen ebenso wunderschönen Sohn (Name unbekannt). Die Väter beschließen, was schön ist, gehört zusammen, und wollen durch die Hochzeit den Frieden wiederherstellen.
Die rebellische Prinzessin will da aber nicht mitspielen, denn sie hat ihr Herz bereits an einen anderen jungen Mann verloren – leider fließt in den Adern ihres Auserwählten kein blaues Blut. Das ist Elcha natürlich egal und so fliehen die beiden völlig überstürzt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. Dabei müssen sie ziemlich viel Lärm gemacht haben, denn sie werden verfolgt.
Tod ist besser als Zwangsheirat und so stürzen sich die Liebenden Arm in Arm in eine Lagune.
Als einer der Verfolger – eine böse Hexe – die Lagune erreicht, wird sie von einem grellen Blitz erfasst. Kurz darauf ist von der Hexe nichts mehr übrig als ein grauer Stein am Ufer der Lagune. Die anderen Verfolger sehen das Szenario und Elchas Gesicht erscheint ihnen im kristallklaren Wasser der Lagune.
Der Name Elcha bedeutet in ihrer Sprache „Spiegelung“. Seit jener Nacht heißt die Lagune „Lagune des verzauberten Mädchens“.
Bei Vollmond sind die Gestalten Elchas und ihres Liebsten an der Oberfläche auszumachen – für immer vereint in einer innigen Umarmung.
Das bekommt der gewöhnliche Tourist aber nicht zu Gesicht, da das Areal nachts geschlossen ist.
Pozo de las Ánimas: wo die Seelen weinen
Etwa 15 Kilometer weiter befinden sich zwei rund 100 Meter tiefe Karsttrichter, die durch eine dünne Felswand voneinander getrennt, aber unterirdisch durch einen Fluss verbunden sind. Die kesselförmigen Senken haben einen Durchmesser von rund 300 Metern und sind nicht nur wegen ihrer steil abfallenden Wände ein Hingucker, sondern vor allem wegen ihres smaragdgrünen Wassers.
Der Wind erzeugt ein starkes Echo an den Wänden, das die indigene Bevölkerung zu einer weiteren Legende veranlasste.
Auch hier die Kurzfassung: Eine Gruppe friedlicher Ureinwohner wird von einem kriegerischen Stamm verfolgt. Glücklicherweise meint es Mutter Natur gut mit den Guten und lässt die Bösen in zwei tiefe mit Wasser gefüllte Erdlöcher fallen, wo sie ertrinken. Die friedlichen Ureinwohner verehren den Ort, der ihnen das Leben rettete, seither, und geben ihm den Namen „Ort, an dem die Seelen weinen.“
Daraus wurde im Laufe der Zeit „Pozo de las Ánimas“, Grube der Seelen.
Wer seine Ohren spitzt, kann im Wind vielleicht bis heute die Seelen weinen hören.
Valle Hermoso – über Las Leñas ins „wunderschöne Tal“
Von den weinenden Seelen ist es nicht mehr weit bis Las Leñas, einem der bekanntesten und beliebtesten Skigebiete Südamerikas. Abwechslungsreiche Skipisten mit insgesamt rund 28 Pistenkilometern in einer Höhenlage von 2.240 bis 3.430 Metern sowie eine ausgiebige Après-Ski-Kultur locken zahlreiche Skifahrer und Snowboarder aus der ganzen Welt an diesen Ort. Aber auch hier muss seit etwa 10 Jahren regelmäßig mit Kunstschnee nachgeholfen werden.
Wir sind im Hochsommer unterwegs und die meisten Hotels sind geschlossen. Es gibt jedoch Pläne, den Tourismus auch im Sommer anzukurbeln. Dazu gehört unter anderem der Ausbau der Infrastruktur, wovon auch das Valle Hermoso stark betroffen sein wird. So ruhig wie heute wird es dort nicht mehr lange sein. Wenn Du Dich für die Gegend interessierst und sie einigermaßen naturbelassen und einsam vorfinden willst, dann überleg nicht lange! „Jetzt“ ist besser als „Morgen“, „irgendwann“ ist vielleicht schon zu spät!
In Las Leñas verabschieden wir uns vom Asphalt.
Wer ins Valle Hermoso will, sollte sich unbedingt vorher in Malargüe oder San Rafael über den Straßenzustand informieren, denn der Weg ist auch in den Sommermonaten nicht immer passierbar. Im Winter ist das Tal vom Rest der Welt abgeschnitten.
Der einzige Campingplatz im Tal ist von November bis März geöffnet.
Zunächst geht es aber auf der schmalen Schotterpiste an Felswänden entlang, immer auf und ab durch eine atemberaubende Bergwelt. Majestätisch erhaben liegen die Anden da, zum Greifen nah, und doch unerreichbar weit weg.
Wir müssen einige Flüsse durchqueren, die aber bedingt durch die wochenlange Trockenheit nicht allzu viel Wasser führen. Dennoch sind sie eine Herausforderung, ebenso wie die vielen Unebenheiten, Steine auf dem Weg und entgegenkommende Autos. Letztere sind aber zum Glück nicht viele. Dafür müssen wir immer wieder anhalten, um Pferde vorbeizulassen – mit Reitern oder ohne.
Mirador del Valle Hermoso – das Tal im Blick
Am Aussichtspunkt „Mirador Valle Hermoso“ auf 3000 Metern angekommen, blickt man, zumindest wenn es sich beim eigenen Fahrzeug um einen gewöhnlichen Golf handelt, etwas zweifelnd hinunter in das Tal. Ganz unten liegen winzig klein die beiden Lagunen wie Tränen der Natur. Steil schlängelt sich der Weg in zahlreichen Serpentinen dem grünen Boden entgegen. Ein Weg, der am Ende des Tales auf die Anden stößt und einfach endet. Der Ausbau des bisher nicht befahrbaren Weges Paso las Damas über die Anden nach Chile ist geplant.
Aber noch sind wir nicht im Tal angekommen. Wir stehen oben am Mirador und runzeln die Stirn. Viel zu schmal, viel zu große Steine. Was, wenn uns ein Auto entgegenkommt? Geht das überhaupt? Einmal tief durchatmen. Langsam, mit viel Geduld und Konzentration, immer wieder aussteigen und Steine aus dem Weg räumen, dann geht es!
Davor nehmen wir uns aber am Mirador Zeit, um die herrliche Aussicht genießen und ein bisschen am Bergkamm entlang zu laufen.
Der Blick ins Tal ist unbeschreiblich schön!
Eingekesselt von farbenprächtigen Bergen mäandern die Flüsse Tordillo und Cobre durch das Tal, das seinen Namen absolut verdient hat.
Valle Hermoso – Wandern, genießen, reiten, baden
Das Valle Hermoso liegt auf etwa 2000 Metern über dem Meer. Erste Anlaufstelle ist die Lagune. Denn hier gibt es seit ein paar Jahren einen Campingplatz mit Restaurant, zahlreichen Zeltplätzen direkt am Wasser inklusive eigenem Grill und 2 Mehrbett-Domos. Pferde und Hunde laufen zwischen den Zelten herum, mit seinen Zeltnachbarn kommt man schnell ins Gespräch und wird mit etwas Glück zu einem nächtlichen Asado eingeladen.
Das kristallklare Wasser der Lagune sorgt im Sommer für eine eiskalte Erfrischung, umrahmt von einer malerischen Bergkulisse. Ich sitze stundenlang schweigend da und blicke auf das Wasser, das bei jedem Licht anders aussieht. Besonders schön sind die Berge und Lagune am Abend, wenn sie mit letzter Kraft der Sonne noch einmal golden angestrahlt werden.
Während wir uns mit unseren Zeltnachbarn ein saftiges Steak schmecken lassen, geht hinter den Bergen der Mond auf. Es ist eine klare Vollmondnacht, sodass die Lagune und die Berge besonders schön in Szene gesetzt werden.
Bei Cynthia, der Campingplatzbesitzerin, können Mountainbikes und Kanus bzw. Kajaks ausgeliehen werden. Außerdem werden geführte Wanderungen im Tal angeboten. Natürlich kann man auch nach Herzenslust allein kreuz und quer durch das wilde Tal wandern. Cynthia gibt gerne jede Menge Tipps.
Reittour zu heißen Quellen
Eine besonders schöne Wanderung führt erst zum Fluss – dieser muss ein paar Mal durchquert werden, evtl. Ersatzschuhe mitnehmen –, durch ein Nebental, vorbei ein einem wunderschönen Vulkan zu naturbelassenen heißen Quellen inmitten der Natur.
Orange-Rot blubbert das eisenhaltige, etwa 38 Grad warme Wasser aus der Erde. Rot sind danach auch Haut und Bikini, ein anschließendes Bad im klirrend kalten Gebirgsfluss ist unabdingbar.
Wer möchte, kann die Thermalquellen auch im Rahmen einer etwa dreistündigen Reittour besuchen. Maximal zu Sechst (1-2 Tage vorher reservieren) geht es mit dem Gaucho, der Anekdoten aus seinem Alltag zum Besten gibt, über Stock Stein.
Wir haben uns für die Reittour entschieden und ich kann sie wärmstens empfehlen.
Während wir in den heißen Quellen den Luxus der Natur genießen, macht sich eines der Pferde vom Acker. Der Gaucho muss zu Fuß zurück zum Campingplatz, wo sein Ross friedlich grasend in voller Montur auf ihn wartet.
Nach drei Tagen verabschieden wir uns schweren Herzens von diesem einzigartigen Ort. Der Wind weht uns das Zelt um die Ohren, schwere Wolken drücken sich über die Bergkette ins Tal. Wir müssen schauen, dass wir wegkommen und die Passstraße längst hinter uns liegt, falls es zu regnen anfangen sollte.
Außer etlichen Serpentinen warten heute noch über 1000 Kilometer Fahrt bis Buenos Aires auf uns.
Genügend Zeit also, um neue Abenteuer zu planen...
Denn nach der Reise ist vor der Reise, nach dem Abschied vor dem Wiedersehen! ;-)
Kommentar schreiben
Rosemarie (Freitag, 13 März 2020 07:36)
Wunderschön und toll geschrieben
Argentinien 24/7 (Mittwoch, 18 März 2020 12:06)
Muchas gracias, es freut mich, dass Dir der Artikel gefällt!