Einmal Wüste und zurück: Mit dem Jeep durch Argentinien, Chile und Bolivien (Teil 2)

Schweren Herzens lassen wir Chile und die atemberaubende Atacamawüste hinter uns. Auch asphaltierte Straßen werden wir die nächsten Tage nicht sehen. Wir fahren durch die weglose bolivianische Hochebene, bestaunen bunte Lagunen, fahren auf dem größten Salzsee der Welt um die Wette und weigern uns, eine geklaute Seele zurückzukaufen.

Bolivien: Naturreservat Fauna Andina Eduardo Abaroa

Es geht direkt auf den Licancabur zu. Auf 4600 Metern passieren wir die Grenze nach Bolivien. Die Grenze, das ist ein kleines Häuschen mitten im Nirgendwo.

Nacho weist die Argentinier darauf hin, freundlich zu sein und die Schönheit des Landes zu loben. „Vielen Argentiniern wird die Einreise verweigert.“ Zu mir gewandt sagt er nur „du als Deutsche bist ja sowieso überall auf der Welt willkommen.“  

Argentinier sind, wie Du siehst, sehr beliebt in ihren Nachbarländern.

Den mürrischen Grenzbeamten interessiert unser Lächeln nicht sonderlich. Lustlos knallt er den Einreisestempel in unsere Pässe und schaut dabei nicht von seinem Schreibtisch auf.

 

Die Landschaft ist surreal. Karge Hügel ragen in den tiefblauen Himmel, Lagunen und Salzseen schimmern in unwirklichem Weiß und Grünblau. Die Luft ist dünn, aber klar.

 

Für die kommenden Tage verabschieden wir uns von asphaltierten Straßen. Häufig müssen wir umdrehen und eine andere Richtung einschlagen, weil wir plötzlich vor einer Felswand oder einem zu tiefen Graben stehen.

Wir fahren durch das Naturreservat Fauna Andina Eduardo Abaroa.

 

Die Vicuñas lachen sich wahrscheinlich schlapp über uns Menschen in dem komischen Gefährt und zeigen uns fröhlich hüpfend, dass es für sie kein undurchdringliches Gelände gibt.

Die sanft abgerundeten Hügel sehen aus, als seien sie einem Gemälde entsprungen. Lamas und Alpakas blicken neugierig in die Linse meiner Kamera, Flamingos lassen sich von uns nicht aus der Ruhe bringen.  

Die Laguna Verde macht ihrem Namen alle Ehre und schimmert in den schönsten Grün- und Türkistönen.

Dahinter erhebt sich der Licancabur.

 

Von einem Moment auf den anderen wird mir seltsam zumute. Mein eigener Körper scheint vor mir davon zu laufen, mein Gesicht fühlt sich an wie betäubt, ich habe keine Kontrolle mehr über mich und meine Bewegungen. Meine  Augen werden schwer. Die Stimmen der anderen nehme  ich als entferntes Echo wahr.

Eine der Mitreisenden, glücklicherweise Krankenschwester, schaut mich besorgt an und fragt, ob ich Luft bekomme. Meine Lippen sind taub, ich flüstere ein gequältes „Ja“ vor mich hin.

Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass ich normal atme, kann das aber nicht zum Ausdruck bringen.

Wie aus weiter Ferne höre ich die Krankenschwester rufen, man müsse mir sofort Sauerstoff zufügen. Schwachsinn, denke ich mir, kann mich aber nicht wehren.

Wir halten an, ich werde an die Sauerstoffflasche angeschlossen, alle sind ruhig und konzentriert auf meinen Atem.

Nach ein paar Minuten geht das Lähmungsgefühl zurück, ich höre und sehe wieder klar.

Die Höhe hat mir buchstäblich die Luft zum Atmen geraubt  - und ich habe es nicht einmal gemerkt.

Dieser Tag ist gelaufen für mich. Ich werde von allen beobachtet, bekomme ein Kameraverbot und  soll mich so wenig wie möglich bewegen.

Die Nacht verbringen wir in einem zweckmäßigen Hostel direkt an der Laguna Colorada. Ich habe mich erholt und kann nachts die Milchstraße fotografieren, während eine meiner Mitreisenden am Sauerstoffgerät hängt. Es ist ein gutes Gefühl zu wissen, dass wir in dieser einsamen Landschaft so gut ausgerüstet und alle so hilfsbereit sind.

 

Die Laguna Colorada liegt auf 4278 Metern. Durch eine bestimmte Algenart und den hohen Mineralstoffgehalt ist sie ab der Mittagszeit tiefrot gefärbt, was wir aber leider nicht sehen. Wir kommen bei Nacht an und sind vor Sonnenaufgang schon wieder auf der Weiterfahrt.

Ich bin enttäuscht, denn ich habe diese Lagune auf so vielen Fotos gesehen und lange davon geträumt, sie vor mir zu haben – nicht graublau, sondern rot.

Aber gut, alle nicht gesehenen und erlebten Dinge sind nur Gründe, um wieder an einen Ort zurückzukommen.

 

Wir halten am Árbol de Piedra – einem etwa 7 Meter hohen Baum aus Stein – und an zahlreichen Lagunen, die in den schönsten Farben um die Wette glitzern.

Flamingos stolzieren anmutig durchs Wasser. Die Männchen stellen sich in Reih und Glied auf und führen einen eleganten Tanz vor, um die Aufmerksamkeit der Weibchen auf sich zu ziehen. Diese zeigen sich weitaus weniger beeindruckt als wir und betrachten lieber ihr eigenes Spiegelbild.

 

Wir schlafen in einem der vielen Salzhotels in der Gegend. Stühle, Tische, Wände – alles ist aus Salz.

Es gibt Strom und in den wenigen Mehrfachsteckdosen hängt ein bunter Kabelsalat aus Smartphones und Kameras.

Auch wir laden unseren Akku bei einer heißen Dusche wieder auf.

 

Hernan kommt ins Gespräch mit der Putzfrau des Hotels. Sie zeigt uns ihre Wohnung, ein kleiner schäbiger Wohnwagen neben dem Hotel, dessen Tür nicht richtig schließt. Anfangs sehr schüchtern, gewinnt sie bald Vertrauen und erzählt uns aus ihrem Alltag.

Zum Abschied schenkt sie Hernan einen riesigen Salzstein, der mit uns zurück nach Buenos Aires reisen wird.

 

Salzwüste: Salar de Uyuni

Das nächste Highlight der Reise führt uns zum Salar de Uyuni, dem mit über 10000 Quadrat­kilometern  größten Salzsee der Erde.

Salz bis zum Horizont.

Die ganze Welt ist weiß.

Vorbeiziehende Wolken spiegeln sich in den glitzernden Salzkristallen.

Unter diesem einsamen Himmel lösen sich alle Grenzen auf.  

 

Der Plan war, den Sonnenaufgang am Salar de Uyuni zu genießen.

Auf meinen Reisen habe ich gelernt, dass der einzige Plan, den man machen kann, der ist, dass der Plan sich immer ändert. So auch heute.

 

Wir sind falsch abgebogen und stehen nun nicht wie geplant am Salzsee, sondern vor militärischem Sperrgebiet. Ein Mann kommt energisch aus dem kleinen Häuschen und fragt, was wir wollen. Die Antwort scheint ihm egal zu sein.

In Zeitlupe sammelt er unsere Pässe ein, begutachtet jede einzelne Seite, stellt Fragen zur Ein- und Ausreise. Meinen Pass gibt er mir sofort wieder zurück, an den argentinischen müsse er erst noch „etwas wichtiges prüfen“ und nimmt sie mit ins Haus.

Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen und richten unsere Stative in Richtung heller werdenden Horizont aus.

Als die Sonne bereits hoch am Himmel steht, bekommen meine argentinischen Mitreisenden ihre Pässe wieder zurück.

Der Mann ist wie ausgewechselt, lächelt uns freundlich an und wünscht uns einen wunderschönen Tag auf dem Salar und eine sichere Weiterreise.

Auf dem Salar de Uyuni fahren wir mit den anderen Jeeps um die Wette, filmen, machen Fotos, legen uns auf den Boden aus Salz. Mittagessen gibt es auf der Isla Incahuasi („Haus des Inka“ auf Quetschua), einer Kaktusinsel mitten im Salzmeer.

 

Ein Friedhof für Eisenbahnen

Ein weiterer Superlativ erwartet uns am Abend: der größte Eisenbahnfriedhof der Welt.

Der „Cementerio de trenes“ ein paar Kilometer außerhalb von Uyuni steht auf der Agenda einer jeden Tour in der Gegend.

Nach Einbruch des Minenbooms in den 1940er Jahren verfielen die Dampflokomotiven und Eisenbahnwaggons in einen Dornröschenschlaf und rosten seither stumm vor sich hin.  

Was einst ein wichtiger industrieller Knotenpunkt war, ist heute dem Verfall preisgegeben.

Wild wuchernde Grasbüschel auf beiden Seiten der Schienen erinnern an das unaufhörliche Voranschreiten der Zeit an einem Ort, an dem die Uhren seit Jahrzehnten nicht mehr zu ticken scheinen.

 

Als wir am nächsten Tag in Uyuni ins Auto steigen, will ich ein Foto von einer chola, einer bolivianischen Frau im traditionellen Gewand machen.

Ich bin mir bewusst, dass die cholas nicht fotografiert werden wollen, kann aber nicht widerstehen, weil die bunten Röcke, der typische Hut und die akkuraten Zöpfe einfach so toll aussehen.

Die Frau hat mich erwischt. Ich erhasche einen bitterbösen Blick und lass das mit dem Foto bleiben.

Doch die Frau kommt bereits schimpfend auf mich zu. Was mir denn einfällt? Ich hätte ihre Seele geraubt. Ich versichere ihr, dass ich kein Foto gemacht habe. Sie beschimpft mich weiter. Wiederholt immer wieder, dass sie nun seelenlos sei.

 

Nach ein paar Minuten mit erhobenem Zeigefinger setzt sie plötzlich ein mildes Lächeln auf: „Wenn du mir aber eine Cola abkaufst, dann ist das schon ok.“ Preis für die wiedergewonnene Seele: umgerechnet etwa 2 Euro. Auch Gott ist korrupt, wie es scheint.

 

Wer den Menschen in Bolivien nicht wie ich die Seele rauben will, fragt vorher, ob er ein Foto machen darf!

 

Von Uyuni nach Buenos Aires

Mit dem Geschmack des Abschieds auf den Lippen, verbringen wir ein paar Stunden in Potosí am Fuß des Cerro Rico.

Aufgrund ihrer Silber- und Zinnvorkommen war die Stadt im 17. Jahrhundert weltweit bekannt und von großer Bedeutung.

Durch die Geschichte der Minen-Stadt reist man am besten bei einer geführten Tour untertage. Diese Tour machte ich bei meiner ersten Reise vor zehn Jahren. Heute reicht die Zeit nicht, denn wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

In der tristen Grenzstadt Villazón decken sich meine Mitreisenden mit den neuesten technischen Geräten ein, für die sie in ihrem Land mindestens das Doppelte zahlen. Dann reihen wir uns in die Schlange für die Ausreise ein.

Nach stundenlangem in der Sonne stehen sind wir in La Quiaca, zurück in Argentinien.

Wir fahren durch die Quebrada de Humahuaca, einer rund 150 Kilometer langen Schlucht mit bunten Felsen.

Es ist schon dunkel, da suchen wir noch nach einer Unterkunft in der Provinz Santiago del Estero. Dort, wo wir vorhatten zu übernachten, gibt es kein einziges freies Zimmer mehr. Denn in dem Ort  findet das berühmte Rentnertreffen von Santiago del Estero statt – wer kennt es nicht?!

 

Nach zwei weiteren Stunden Fahrt werden wir in einem kleinen abgelegenen Dorf fündig und nach einer sehr kurzen Nacht geht es ohne Pause zurück in die argentinische Hauptstadt.

 

Zehn Tage, drei Länder, 6000 Kilometer und einen geplatzten Reifen später hat uns das pulsierende Leben von Buenos Aires wieder.

 

Fazit

Wem es nichts ausmacht, längere Zeit im Auto zu sitzen, für den ist die Reise genau das Richtige.

Wir sind durch wilde, unwirtliche und unwirkliche Landschaft gefahren. Es war auf jeden Fall ein unvergessliches Abenteuer.

 

Silvana und Nacho von One Way Challenge organisieren diese Jeep-Touren während ihrer Vollzeitjobs und führen sie in ihrem eigenen Urlaub durch. Die beiden sind sehr herzlich und sie bieten auch Reisen in weitgehend unerschlossene Gegenden in Argentinien an.

 

Dieses Jahr rufen mich die Anden zum Trekking, aber es war mit Sicherheit nicht das letzte Mal, das wir bei Nacho im Jeep saßen.

 

 

Die Touren in Bolivien und der Acatamawüste können natürlich auch vor Ort gebucht werden. Programm und Preise unterscheiden sich nicht groß und es gibt zahlreiche Anbieter. Die meisten Touren dauern ca. vier Tage.

 

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