Provinz La Rioja: der Reiz der Kargheit

Die wunderschöne Provinz La Rioja liegt im Nordwesten von Argentinien und ist nur sehr dünn besiedelt. Zum größten Teil ist sie von Gebirge - den Anden und kleineren Sierras - umgeben und in den saftig grünen Tälern werden Wein und Oliven angebaut.

Der Osten zählt zur Pampa-Region und außer ein paar trockenen Büschen wächst hier nicht viel.

 

In diesem Artikel nehme ich Dich mit auf eine Reise durch die farbenfrohe Bergwelt La Riojas in luftigen Höhen, wo es jede Menge zu entdecken gibt.

La Rioja: der immerblaue Himmel über Nonogasta

Eine warme Frühlingsbrise weht mir um die Nase, als ich etwas steif aus dem Geländewagen steige. Irgendwo an einer Tankstelle in der Provinz Córdoba. Endlich ein bisschen die Beine vertreten und die leeren Thermoskannen mit heißem Wasser für den Mate füllen. Nur noch ein paar Stunden Fahrt trennen uns von unserem Ziel: Nonogasta in der Provinz La Rioja.

 

In Nonogasta ist nichts mehr mit angenehmer Brise. Die Sonne sticht vom stahlblauen Himmel, als wir um die Mittagszeit ankommen und ein paar Empanadas im einzigen Restaurant, das um diese Uhrzeit geöffnet hat, zu uns nehmen. Die Straße flimmert im gleißenden Sonnenlicht. Keiner schenkt der höchstdramatischen Telenovela, die im Fernsehen läuft, Aufmerksamkeit.

 

Der Ventilator an der Ecke surrt, brummt und summt, aber er spendet keine kühle Luft. Während die junge Frau unsere Bestellung aufnimmt, gähnt sie herzhaft. Der Hund auf dem Fußboden tut es ihr gleich.

Auf der anderen Straßenseite sitzen zwei Männer auf klapprigen Stühlen unter einem Baum. Sie starren ausdruckslos auf das Schachbrett vor ihnen, machen aber keine Anstalten die aufgestellten Figuren zu verrücken.

 

Das Flimmern, das Surren, die Bewegungslosigkeit – das ist mein erster Eindruck von Nonogasta. Unter dem riojanischen Himmel wird Siesta zum schönsten Wort der Welt.

 

Aber wir sind ja nicht hier zum Schlafen. Wir wollen etwas sehen, Abenteuer erleben. Und dafür geht es hoch und immer höher hinauf, der Sonne entgegen. Die Hitze jedoch lassen wir in Nonogasta zurück. Auf 4000 Metern über dem Meeresspiegel hat sie nichts verloren. Und wir eigentlich auch nicht, kommt es mir in den Sinn, als ich merke, wie das Atmen schwerfällt. Langsame Bewegungen sind das A und O hier oben. Und Wasser, Wasser, Wasser.

Willkommen in der Puna von La Rioja

Die Puna ist eine wüstenartige Hochebene im Nordwesten Argentiniens (Provinzen Jujuy, Salta, Catamarca, La Rioja).

„Wüste“ sagt es ja schon: Kaum jemand verschlägt es hierher, um die üppige Pflanzenwelt zu bestaunen. Hier wachsen lediglich niedrige Sträucher, Gräser und Kakteen. Die sind natürlich auch schön, aber der eigentliche Reiz ist wahrscheinlich ein anderer.

 

Denn diese karge, trockene Landschaft ist eine wahrhaftige Explosion der Farben. Stechend weiße Salzseen und der tiefblaue Himmel konkurrieren mit der farbenfrohen Bergwelt. Es ist surreal. Es fühlt sich an, als würden wir durch ein Gemälde eines übernatürlichen Künstlers fahren, dem der Farbkasten versehentlich ausgelaufen ist.

La Rioja: Sierra de Famatina & Bergwerk La Mejicana

Am ersten Tag fahren wir ins Famatina-Gebirge zur Mina la Mejicana, einem verlassenen Bergwerk auf 4600 Metern Höhe. Hier errichtete die deutsche Firma Adolf Bleichert & Co. zu Beginn des 20. Jahrhunderts die mit 35 Kilometern Länge damals längste und höchstgelegene Materialseilbahn der Welt.

 

35 Kilometer, das klingt zunächst nicht sonderlich lang, doch das Gelände ist unwegsam, steinig und bergig. Bis ins Städtchen Chilecito, wohin die Seilbahn führte, müssen 3500 Höhenmeter überwunden werden. Und das machen wir heute mit dem Geländewagen und unseren Freunden Silvana und Nacho von Argentina Overland.

 

Río Amarillo - der gelbe Fluss

Bald schon lassen wir die asphaltierten Straßen hinter uns. Mehrmals müssen wir den Río Amarillo durchqueren, der seinem Namen alle Ehre macht und orangegelb leuchtet. Die Gesteinsbrocken auf dem Weg werden größer, die Berge bunter, die Guanakos frecher, die Kurven und Kehren steiler.

Zivilisation wird hier oben zu einem ebenso schwammigen wie absurden Gedanken. Zumindest bis ich es mit eigenen Augen sehe: Kräftige Tragseile, massive Stützbalken und weit oben, wo Himmel und Berg sich vereinen, etwas, das nach einem Gebäude aussieht. Das Bergwerk.

La Mejicana: die Geister des technischen Fortschritts

Der Stille der Puna überlassen, wirken diese Zeugen des technischen Fortschritts gespenstisch. Nicht nur der Höhenunterschied mit Steigungen von 45° war eine Herausforderung für die Konstruktion der Materialseilbahn. Es mussten auch die klimatischen Bedingungen, große Temperaturunterschiede, starke Winde, Eis und Schnee berücksichtigt werden.

Heute verirrt sich eine Handvoll Menschen in diese Einsamkeit, um den verstummten Stimmen der Vergangenheit zu lauschen.

Quebrada de la Troya bis Laguna Brava auf über 4000 m

Hoch hinauf in die Stille ging es auch am nächsten Tag. Zunächst in steilen Kurven über die mittlerweile asphaltierte Cuesta de Miranda, eine Passstraße mitten durch eine Welt aus bizarren roten Felsformationen. Ganz in der Nähe liegt der Talampaya Nationalpark, das touristische Highlight von La Rioja, den wir auf dieser Reise jedoch links liegen lassen.

Silvana und Nacho möchten mit uns dorthin, wo die Wege nicht so gut ausgebaut sind wie im Nationalpark.

Zwischenstopp in Alto Jagüé

Ein kurzer Stopp in Alto Jagüé, ein Dorf, vielmehr eine lose Ansammlung von ein paar Häusern in der Nähe von Vinchina. Hier lebt Fernando, der uns heute und morgen voller Hingabe seine Heimat zeigt. Zuversichtlich blickt er gen Himmel. „Heute ist ein bewölkter Tag, das ist gut. Wir werden ein bisschen Schatten finden.“

Kritisch blinzle ich in den azurblauen Himmel und entdeckte eine winzige Wolke, verloren und einsam. Fernando, der das beobachtet hat, zwinkert mir zu: „Für uns Riojaner ist das ein bewölkter Tag.“

Nachdem wir ein paar Spezialitäten aus der Region verköstigt haben, fahren wir durch die Quebrada de la Troya, eine beeindruckende Schlucht, die dem Lauf des Río de la Troya folgt.

 

Quebrada de la Troya - eine Reise durch die Erdgeschichte

Die 30 Kilometer sind eine Reise durch die Geschichte unserer Erde. Fernando kennt den Weg in- und auswendig. Er weiß genau, wo wir halten müssen, um Versteinerungen zu bestaunen, wo es yuyo, Kräuter, für unseren Matetee gibt und wo man längere Pausen einlegen muss, um die eigene Fantasie beim Anblick der surreal anmutenden Felsformationen auf Reisen zu schicken.

„Der Kegel“ heißt ein solches Gesteinsgebilde. Fernando und seine Freunde sehen darin aber keinen Kegel, sondern eine Flasche guten Rotwein und auch wir entscheiden uns für den Wein.

Pircas Negras Pass - auf den Spuren San Martíns

Dieser Weg, der über die Anden nach Chile führt (Gebirgspass Pircas Negras), spielte eine wichtige Rolle während der Unabhängigskeitsbewegung, denn hier machten sich 350 Männer unter dem Kommando San Martíns auf den Weg, um Chile von der spanischen Krone zu befreien. Später wurde der Pass vor allem von Viehhirten – darunter Fernandos Vorfahren – genutzt, um Rinder zu Fuß nach Chile zu bringen, die von dort aus in die ganze Welt exportiert wurden. Daher hat der Weg bis heute seinen Beinamen „Ruta de los toros“.

 

Refugio El Peñon

Eine der Steinhütten, in denen die Hirten Unterschlupf fanden, existiert bis heute, das Refugio El Peñon. Mit jeder Kurve und jedem Höhenmeter werden die Berge bunter. Eine Explosion der Farben. Wochen später in Buenos Aires traue ich meiner Erinnerung und den Fotos nicht mehr. Meinen Augen traue ich schon in dem Moment nicht mehr, in dem wir durch diese einzigartige Welt fahren.

 

Laguna Brava - Notlandung zwischen 6000 Meter hohen Vulkanen

Inmitten der staubigen, kargen Wüstenwelt, umgeben von über 6000 Meter hohen Vulkanen und Bergen liegt die Laguna Brava. Ein Salzsee, 60 Quadratkilometer groß, bevölkert von Flamingos – und mittendrin abermals der Mensch und die Technik. In den 1960er Jahren musste ein Flugzeug hier notlanden. Das Wrack liegt bis heute hier in dieser unwirtlichen Gegend.

Quebrada del Yeso in La Rioja - 4x4-Abenteuer vom Feinsten

Am letzten Tag unseres La Rioja Kurztrips dürfen Nacho & Co zeigen, was sie mit ihren 4x4 drauf haben. Ein Schild am Eingang der 12 Kilometer langen Schlucht Quebrada del Yeso in der Sierra de los Colorados weist darauf hin: Hoher Schwierigkeitsgrad, 4x4 Erfahrung ist absolute Voraussetzung. Zugang nur mit autorisiertem Guide.

12 Kilometer durch das schroffe, steinige Gelände – das sind laaaaaange 12 Kilometer, die wir teilweise im Schneckentempo zurücklegen müssen (hier sprechen die Fotos für sich).

Wir sind Stunden unterwegs, kommen nicht wirklich vorwärts, stecken immer wieder fest, müssen schieben. Die Sonne knallt vom Himmel. Wir beobachten uns gegenseitig beim Rot und Röter werden. Mit dem letzten Tageslicht schaffen wir es aus der faszinierenden Schlucht heraus. Dann eine Panne mitten in der Wüste. Mittlerweile ist es dunkel geworden, die Sterne leuchten über uns.

Um uns herum ist alles schwarz. Nach etwa zwei Stunden ist das Auto repariert. Müde, aber gut gelaunt kommen wir in der Unterkunft an und werden mit selbstgemachter Pasta begrüßt. Dazu ein paar Gläser hervorragenden riojanischen Rotweins und schon bald packt einer der Mitreisenden seine Gitarre aus. Seine Frau fordert die anderen mit lauten „¡aro, aro, aro!“-Rufen zu spontanen, humorvollen Vierzeilern auf – ein typisch argentinischer Folkloreabend, bei dem wir alle vergessen, dass wir uns früh am nächsten Morgen auf den langen Weg zurück nach Buenos Aires machen müssen.

Neugierig geworden? - Reiseinfos La Rioja

Anreise nach La Rioja

Aerolineas Argentinas bietet täglich Flüge von Buenos Aires nach La Rioja Capital an und mit dem Überlandbus ist die Hauptstadt der Provinz La Rioja von jeder größeren Stadt aus (evtl. mit Umsteigen) gut zu erreichen. Von hier gibt es Busverbindungen in fast alle Orte.

Unsere Freunde Silvana und Nacho von Argentina Overland bieten ca. einmal im Jahr einen Kurztrip von Buenos Aires nach La Rioja in ihrem Geländewagen an. Die Plätze sind begrenzt und es wird ausschließlich Spanisch gesprochen (gut also, um das im Sprachkurs Gelernte in der Praxis zu testen). Die Reisen mit den beiden sind immer wieder ein wunderbares Erlebnis.

Provinz La Rioja: Klima & beste Reisezeit

La Rioja kann das ganze Jahr über bereist werden. In der Hauptstadt liegt die Durchschnittstemperatur im Sommer bei ca. 35°C (Temperaturen von über 40°C sind keine Seltenheit), im Winter bei 19°C. Es ist das ganze Jahr über sehr trocken, die Sommermonate sind am niederschlagsreichsten, wobei der Durchschnitt bei ca. 6 Tagen pro Monat liegt.

Unterkunft in Nonogasta

Unsere Unterkunft kann ich wärmstens empfehlen: Die Posada del Olivo in Nonogasta.

Die Hostería ist ein kleines Paradies mit komfortablen Zimmern, freundlichem Personal, leckerem Essen, kleinem Pool und einem wunderschönen idyllischen Garten mit Froschteich, wo man gar nicht anders kann als augenblicklich entspannt zu sein. Parkplatz inklusive.

Talampaya Nationalpark

Alle Informationen zum Talampaya Nationalpark gibt es auf der parkeigenen Webseite. Man sollte aber definitiv noch ein paar Tage für die Umgebung einplanen, und nicht nur den Park besuchen. Ein Mietwagen bietet die optimale Möglichkeit, La Rioja nach Lust und Laune auf eigene Faust zu erkunden.

Die meisten Touren starten in Villa Union. Der Ort ist auch ein guter Ausgangspunkt für Touren zur Quebrada de la Troya und der Laguna Brava.

Mein Tipp: Oliven aus La Rioja

La Rioja ist auch bekannt für hervorragende Oliven. Sie schmecken intensiv nach Sonne und gehören meiner Meinung nach zu den besten Oliven Argentiniens. Am besten direkt beim Olivenbauern kaufen.

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