Feuerland – allein der Name dieses rauen, wilden Landstrichs am Ende der Welt lässt Abenteurerherzen höherschlagen. Mit ihrer teils unberührten Natur, den imposanten Berglandschaften und der einzigartigen Flora und Fauna bietet die Region viele Wandermöglichkeiten. Eine meiner Lieblingstouren ist die zweitägige Wanderung von Ushuaia durch das Valle Andorra zur Laguna del Caminante und weiter über den Paso de la Oveja zurück in die Stadt. In diesem Artikel erfährst du alles, was du über diese Route wissen musst.
Laguna del Caminante & Andorra-Tal mit Vinciguerra-Gletscher
Wildes Feuerland – ein Gemälde in Grün
Das südliche Ende der Landmassen, wo Wind und Regen die Bäume umarmen, ist ein roher, ungeschliffener Diamant. Wer Feuerland betritt, taucht ein in eine Welt, die sich jenseits von Raum und Zeit erstreckt, wo Gedanken bisweilen schwerer wiegen und das Herz leichter wird. Jeder Schritt auf dem moosbedeckten Boden verschluckt die Geräusche der Welt. Stille aber wird hier zum Klang, zum Echo der Natur. Wenn der Wind die Nothofagus-Wälder kitzelt, flüstern die Bäume Geschichten von vergangenen Zeiten.
Feuerland ist ein Gemälde in Grün. Jegliche Art von Grün findet auf Feuerland ihren Anfang, auch jenes Grün, das wir nicht sehen. Weite, gelbblühende Wiesen setzen ebenso Kontraste wie braune, graue oder schwarze Bergspitzen und tiefblaue Lagunen. Die Natur hat ihre eigene Linse. Von irgendwo tauchen Pferdeherden auf, ihr Atem lässt den feuchtkalten Inselmorgen erwachen. Das Wetter meint es gut, unserem Zweitagestrekking steht nichts im Wege.
Tag 1: Von Ushuaia durch das Andorra-Tal zur Laguna del Caminante
Ausgangspunkt für die Wanderung ist das Tal Valle Andorra, etwa 8 Kilometer von Ushuaia entfernt und mit der Buslinie C zu erreichen. Wir sind schon gestern hergefahren, haben auf einem Campingplatz übernachtet und das wilde Tal ein wenig erkundet. Der Weg zur Laguna del Caminante ist ausgeschildert und meist gut markiert. Er führt uns heute durch dichte Scheinbuchenwälder, über einsame Wiesenpfade und vorbei an plätschernden Bächen.
Die ersten Kilometer verlaufen größtenteils flach, immer wieder müssen wir über umgestürzte Baumstämme klettern. Nach ein paar Kilometern folgt ein steiler Anstieg im Wald und später über Erd- und Wiesenwege. Während wir ein Schritt vor den anderen setzen und der Rucksack wieder mal viel zu schwer ist (wir müssten ja keinen Rotwein mitschleppen, aber wir wissen, der schmeckt vor dem Zelt an der Lagune besonders gut), hängt jeder seinen Gedanken nach. Einsamkeit wird im tiefen Süden zum Geschenk, sie schafft Raum und setzt Weite.
Unterwegs im Andorra-Tal:
Der Blick über das Andorra-Tal und die umliegenden Berge ist fantastisch. Wir halten immer wieder an, um die Aussicht zu genießen und aufzusaugen. Bald entdecken wir unser Tagesziel. Die Laguna del Caminante liegt malerisch eingebettet zwischen Bergen und knorrigen Südbuchen.
Zelten an der Laguna del Caminante
Wer früh los wandert, kann die Tour auch an einem Tag machen. Für uns war von Anfang an klar, dass wir an der Lagune zelten wollen. Es gibt hier keine Schutzhütte und keine sanitären Anlagen, zelten am Ufer der Lagune ist aber erlaubt. Nach einem leckeren Abendessen genießen wir die langsam einkehrende Dunkelheit mit einem Gläschen Malbec. Natürlich hat es sich gelohnt, die Flasche hier hoch zu schleppen. Noch ein bisschen Sterne gucken, dann geht’s ins Zelt. Das Rauschen des Windes und das sanfte Plätschern des Sees begleiten uns in den Schlaf.
Auf einen Blick: Andorra – Laguna del Caminante
- Distanz: 13 Km
- Gehzeit: ca. 5 Stunden
- Höhenmeter: ↗ insgesamt ca. 600 Höhenmeter, ↘ ca. 200
Tag 2: Laguna del Caminante über den Paso / Cañadón de la Oveja zurück nach Ushuaia
Am nächsten Tag beginnt der Aufstieg zum Paso de la Oveja, einem etwa 830 Meter hohen Bergpass. Dieser Abschnitt ist der anspruchsvollste Teil der Wanderung, was hauptsächlich an den instabilen Witterungsbedingen liegt. Der steinige Pfad ist steil und kann, je nach Wetterlage, mit Schnee oder Eis bedeckt sein. Wir werden ordentlich vom Wind durchgepustet, Gegenwind macht das Vorwärtskommen im steilen Gelände teilweise schwierig. Oben angekommen, peitscht uns ein Graupelschauer spitze Nadeln ins Gesicht.
Ich liebe dieses Wetter, das Gefühl des Ausgesetztseins angesichts der Kräfte der Natur. Das ist mir doch um einiges lieber, als lieblich-mediterranes Geplänkel. Hoch über dem canyonartigen Tal mit schroffen Felsen, grünen Hängen und zahlreichen Wasserfällen, schlängelt sich der Pfad sanft auf und ab – feuerländisch flach. Bald ist in der Ferne der Beagle Kanal sichtbar. Ich verliere mich in der mich umgebenden Landschaft, dieser Wandertag ist einfach nur grandios!
Den Beagle Kanal im Blick: Abstieg ins Tal
Der Abstieg vom Cañadón de la Oveja führt durch ein idyllisches Tal mit saftig grünen Wiesen, kleinen Flüssen und vereinzelt stehenden Südbuchen. Dieser Abschnitt ist zwar weniger anstrengend als der Aufstieg, erfordert aber dennoch Konzentration, da der Weg teils rutschig und uneben ist. Viel zu schnell für meinen Geschmack erreichen wir die Außenbezirke von Ushuaia. Auf einer sonnigen Wiese gönnen wir uns noch eine Pause und genießen den Blick auf die Stadt und den Beagle Kanal.
Dann machen wir uns auf den Weg zur Unterkunft, der Magen knurrt und wir lassen den Tag in einem der gemütlichen Restaurants bei leckerem Fisch ausklingen, während sich in unsere Köpfe schon die nächsten Wanderungen im wilden Feuerland einhämmern. Es ist schwer, keinen Platz im Herzen für Feuerland zu reservieren. Tierra del Fuego, das vermeintliche „Ende der Welt“ ist auch ein Anfang. Ein Anfang für neue Gedanken und Perspektive, für eine tiefe Verbindung zur Natur und sich selbst.
Auf einen Blick: Laguna del Caminante – Ushuaia
- Distanz: 12 Km
- Gehzeit: ca. 5 Stunden
- Höhenmeter: ↗ ca. 400, ↘ ca. 800
- Achtung! Die v.a. durch die sozialen Medien bekannte Gletscherhöhle Cueva del Jimbo ist im Januar 2024 eingestürzt und kann nicht mehr besucht werden.
Laguna del Caminante: Anforderungen & Herausforderungen
Die zweitägige Wanderung durch das Valle Andorra und über den Paso de la Oveja ist technisch nicht anspruchsvoll, wenn man eine gute Grundkondition hat und ein bisschen bergerfahren ist. Die größte Herausforderung ist mit Sicherheit das Wetter. Dieses kann sich auf Feuerland mehrmals täglich ändern, von Sonnenschein zu Schnee und Sturm – die berüchtigten vier Jahreszeiten an einem Tag. Selten bringt es der Wetterbericht auf den Punkt.
Tipps für die Wanderung
- Ausrüstung: feste Wanderschuhe, wasserabweisende Funktionskleidung (mehrere Schichten zum An- und Ausziehen, Stichwort: Zwiebelsystem), Wind- und Regenjacke, Zelt, Schlafsack, Isomatte, Kocher, Proviant, evtl. ein GPS-Gerät und / oder Kartenmaterial
- Ausreichend Sonnenschutz (Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, Sonnenbrille, Kopfbedeckung)
à eine ausführliche Packliste für mehrtägige Wanderungen in einsamen Gegenden Patagoniens findest Du hier.
- Wasser kannst Du an den Flüssen und Bächen auffüllen (an der Lagune gibt es auch einen Fluss). Die Lagune selbst liegt im Nationalpark Tierra del Fuego, weshalb es dort kein Weidevieh gibt (in der Theorie zumindest, die freilebenden Tiere halten sich natürlich nicht an imaginäre Nationalparkgrenzen). Im Andorra-Tal leben Pferde. Daher empfiehlt es sich ggf. einen Wasserfilter, Tabletten o.Ä. mitzunehmen (wir hatten nichts dergleichen dabei, verwenden seit dem GR11 aber den Steripen, einen Wasserentkeimer im Taschenformat, der mittels ultraviolettem Licht Bakterien und Viren abtötet).
- Beste Reisezeit: Die besten Monate für diese Wanderung sind die Sommermonate (Dezember bis Februar), wenn die Temperaturen am angenehmsten sind. Die Jahresdurchschnittstemperatur in Ushuaia beträgt etwa 10° C.
Die Wanderung von Ushuaia durch das Valle Andorra zur Laguna del Caminante und über den Cañadón de la Oveja zurück in die Stadt ist eine wunderschöne Tour für Natur- und Bergliebhaber. Die einzigartige Landschaft, die Kraft der Natur und die Abgeschiedenheit machen diese Tour zu einem echten Highlight in Feuerland. Pack deinen Rucksack, schnüre die Wanderschuhe und entdecke die wilde Schönheit am Ende der Welt!
Nothofagus-Wälder, gelbblühende Orchideen (Gavilea lutea) & versteckte Wasserfälle
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